Jayel, eine junge Bardenschülerin, steht kurz vor dem Abschluss ihrer Prüfungen. Sie zweifelt jedoch daran, ob sie für die Aufgaben und Pflichten einer Bardin wirklich geschaffen ist. Doch dann entscheidet das Schicksal für sie: Bei einem Angriff durch die südlichen Reiche unter der Führung des geheimnisvollen dunklen Herrschers kommen fast alle Barden ums Leben. Begleitet von dem jungen Magier Daphnus macht sich Jayel auf Anweisung der Kaiserin Cwell auf den Weg in das Land Aquien, um dort Verbündete zu finden, die helfen sollen, den Krieg zu verhindern. Dort angekommen, erfährt Jayel jedoch, dass der Krieg bereits begonnen hat und Truppen der Kaiserin auf dem Weg in die Südreiche sind, um Vergeltung zu üben. Eine Seherin berichtet, dass dies ein Vorzeichen ist, das den Untergang der Welt ankündigt. Verhindert werden könne diese Apokalypse durch vier magische Kristalle, jeder davon im Besitz eines Volkes von Celane: der Menschen, Aquanten, Elfen und Erdleute. Kaiserin Cwell ist im Besitz eines weiteren Kristalls, der einst durch die vier Kristalle erschaffen wurde, um den Frieden zu gewährleisten. Doch nun muss dieser Kristall zerstört werden, um eine größere Bedrohung abzuwenden. Jayel und Daphnus begeben sich auf die Suche nach den anderen Kristallen. Auf dieser Reise findet Jayel nicht nur gute Freunde, sondern auch das ewige Lied, das jeder Barde in sich trägt.
Leseprobe aus dem Kapitel „Moorkrätschen“
Auf der Suche nach den Kristallen erreichen Jayel und Daphnus zusammen mit dem Aquanten Kallabul und dem Erdmenschen Tiark das Reich der Elfen. Dort erfahren sie, dass deren Kristall und seine Hüterin Murja im Moor verschollen sind, durch die Schuld der jungen Gemma. Sie machen sich auf die Suche. Im Moor treffen sie auf die gefährlichen Moorkrätschen.
Die Gruppe hatte sich gerade erschöpft vom Marschieren auf dem unebenen Boden auf einem der braunen Hügel niedergelassen, da diese immerhin festen Untergrund für die Pferde boten. Gemma und Daphnus waren gerade dabei, ein Feuer zu entzünden, während sich Tiark, Kallabul und Jayel um die Pferde kümmerten. Plötzlich hörten sie schreckliche Schreie aus südlicher Richtung.
Jayel hob den Kopf und sah vier Wesen hoch oben durch die Luft auf sie zukommen. Von ihnen stammten die Geräusche: schrille Schreie, wie von sterbenden Vögeln. Die Wesen selbst hatten die Flügel und die Beine von Vögeln, dabei aber Leib und Kopf, die eher Wölfen glichen. Nie zuvor hatte Jayel Tiere von solcher Scheußlichkeit gesehen. „Moorkrätschen!“ schrie Gemma schrill auf, „Wir sind verloren!“ „Reiß dich zusammen, Mädchen!“ schrie Tiark, zog seine Keule aus der Satteltasche und sprang auf Wirbelwind, damit er höher stand, „Solange wir noch kämpfen können, sind wir auch nicht verloren. Überleg lieber mal, ob du irgendwelchen Priesterschnickschnack gegen die Viecher gebrauchen kannst.“
Das wirkte offenbar, denn Gemma verfiel in fieberhaftes Grübeln. Daphnus hatte bereits die Augen geschlossen und murmelte vor sich hin, während Kallabul aus seiner Manteltasche zwei bläulich schimmernde Glaskügelchen hervorgeholt hatte. Jayel entschied sich, ihn später nach deren Funktion zu fragen und hob die Arme. Sie betete zu Lyria, obwohl sie keine Ahnung hatte, welche priesterliche Magie ihr gegen solche Kreaturen helfen sollte. Da schossen aus ihren Fingerspitzen helle Strahlen hervor, die sich in der Luft zu einem Netz verwoben und zwei der inzwischen gefährlich nahe gekommenen Krätschen umwickelten.
„Ein Netzzauber“ murmelte Jayel, erleichtert darüber, dass ihre Intuition den richtigen Zauber gewählt hatte. Sie beobachtete, wie die Krätschen laut schreiend und wild mit den Flügeln schlagend nicht weit von ihnen ins Moor fielen. Der Boden unter ihnen blubberte, und langsam begannen die gefangenen Monster zu versinken.
Jayel wandte den Blick ab, gerade rechtzeitig, um sich mit einem Hechtsprung vor einer zugreifenden Klaue in Sicherheit zu bringen. Gemma schrie auf und fuchtelte erschrocken mit ihren Armen – was zur Folge hatte, dass eine winzige, grüne Dampfwolke über der Krätsche erschien. Diese jedoch stieg rasch wieder auf und ließ die grüne Wolke hinter sich zurück. Etwa zehn Schritt über dem Boden machte die Krätsche kehrt.
In der Zwischenzeit hatte Tiark alle Hände voll zu tun mit der vierten Krätsche. Seine Steinkeule hatte die Kreatur zwar schon mehrfach hart getroffen, doch der Erdmensch war den Kampf zu Pferde nicht gewohnt, zudem Wirbelwind immer nervöser ob der Bestie über ihr wurde. Schließlich kam es, wie es kommen musste: Wirbelwind bäumte sich auf und Tiark stürzte in hohem Bogen von der Fuchsstute herunter.
Die andere Krätsche hatte es mittlerweile geschafft, in der Luft zu wenden, und stürzte sich erneut auf Jayel. Die riss Rapier und Stilett aus den Scheiden, wohl wissend, dass sie mit solch schmalen Klingen einem Ungetüm wie diesem gerade einmal Kratzer verpassen konnte. Trotzdem blickte sie ihrem Gegner mutig entgegen – doch dann musste sie geblendet die Augen schließen. Plötzlich war die Krätsche in einen lodernden Feuerball gehüllt, dessen Hitze bis zu Jayel deutlich spürbar war. Gequält schrie das Monster auf und erhob sich wieder in die Luft. Es flog in wilder Panik davon, doch hinter dem nächsten Hügel stürzte es ab. Jayel sah keuchend neben sich; es war Daphnus gewesen, der die Krätsche mit einem Feuerball aufgehalten hatte.
Tiarks Moorkrätsche stürzte sich derweil auf die ängstlich wiehernde Wirbelwind. „Oho!“ rief Tiark wütend und sprang auf, „Lässt du wohl mein Riesenschaf in Ruhe, du Mistvieh!“ Mit einem kräftigen Schlag trieb er die Krätsche von dem Pferd weg. Zweimal noch schlug er zu – dann lag die Moorkrätsche verendend zu seinen Füßen. „Wenn jemand das Riesenschaf frisst, dann bin ich das!“ knurrte Tiark und sah wütend auf die Krätsche herab.
Jayel wollte schon erleichtert aufatmen, da schrie Gemma erneut auf. Unbemerkt hatte sich eine der beiden gefesselten Moorkrätschen aus dem Netz befreit und war näher gekommen. Nun setzte sie gerade zum Sturzflug auf den scheinbar unbewaffneten Kallabul an. Dieser blickte auf und erkannte die Gefahr gerade noch rechtzeitig. Rasch hob er die Hand und warf die zwei Glaskugel auf das herabstürzende Ungetüm. Die dünnen Glaswände der Kugeln zerbrachen, und eine durchsichtige Flüssigkeit spritzte über die Haut des Tieres. Wo sie auftraf, verbreiteten sich sofort rötliche Blasen, und die Krätsche schrie gequält auf. Wie rasend erhob sie sich wieder in die Luft und taumelte unter lauten Schreien davon.
Jayel starrte ihr mit offenem Mund hinterher. Auch die anderen folgten dem davoneilenden Monster mit den Blicken und wandten dann Kallabul große, erstaunte Augen zu. Der Aquant grinste entschuldigend: „Leichte Säure. Wird noch ein wenig weh tun, aber morgen ist die Krätsche wieder in Ordnung…“
Jayel sah sich um. Zwei Moorkrätschen waren tot: die eine lag zu Tiarks Füßen, die andere versank im Sumpf. Eine weitere verschwunden, nachdem sie Daphnus Feuerball getroffen hatte, und die vierte Richtung Süden davongeflogen…